Praxenkollaps verhindern
Ärzte und Psychotherapeuten warnen: Flächendeckende ambulante Versorgung in Gefahr

Petition der KBV: Jetzt online mitzeichnen!
Mitte Oktober hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine Petition zur Rettung der ambulanten Versorgung beim Deutschen Bundestag eingereicht. Das Ziel: Die Politiker für die Probleme der ambulanten Versorgung zu sensibilisieren. Damit das Thema im zuständigen Ausschuss des Bundestages Gehör findet, braucht es mindestens 50.000 Unterschriften. Deshalb sind Sie, Ihre Praxisteams und Ihre Patienten aufgerufen, die Petition „Vergütung für medizinische Leistungen – Verbesserung der Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung“ mit Ihrer Unterschrift zu unterstützen. Mitzeichnungsfrist ist der 20.12.2023.
Zusätzlich können Sie eine E-Mail-Signatur herunterladen und ganz einfach in Ihre ausgehenden Mails einbinden.
Sonder-Vertreterversammlung: KVWL-VV fordert sofortige Änderung der Finanzierungssystematik
Im Rahmen einer Sondersitzung forderten die Mitglieder der KVWL-Vertreterversammlung (VV) mit großer Mehrheit, dass bei zukünftigen Finanzierungsverhandlungen die in den Praxen tatsächlich entstehenden Kosten besser berücksichtigt werden müssen. Diese fänden in der Systematik, auf deren Basis die Honorare für Vertragsärzte und -psychotherapeuten ausgehandelt werden, nicht ausreichend Berücksichtigung, daher seien umgehend Anpassungen erforderlich. Die unzureichende Finanzierung der ambulanten Leistungen war jedoch nicht der einzige Aufreger bei der Sitzung, die am 29. September aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit in hybrider Form abgehalten wurde.
In seinem Einführungsvortrag beleuchtete Thorsten Spiecker, Leiter des KVWL-Geschäftsbereichs Honorar, warum die zugrundeliegende Systematik aus technischen Leistungen und kalkulatorischem Arztlohn auch in Zukunft kaum nennenswerte Steigerungen zulasse. Dieser kalkulatorische Arztlohn orientiere sich theoretisch an dem Gehalt eines Oberarztes im Krankenhaus – allerdings ohne dass Tarifsteigerungen und vor allem der tatsächliche „Marktwert“ berücksichtigt würden. Hinzu komme, dass die realisierten Kosten einer Praxis immer erst mit zweijährigem Verzug bei den Finanzierungsverhandlungen auf Bundesebene berücksichtigt würden. Das sei ein klarer Nachteil dieser Systematik.
„Legitime Interessen verraten und verkauft“
Den Schwenk von den theoretischen Grundlagen zum Praxisalltag lieferte VV-Mitglied Dr. Holger Brinkmann, niedergelassener Chirurg aus Soest. Er rechnete anhand konkreter Zahlen aus seiner eigenen Praxis vor, warum eine Steigerung des Orientierungswerts deutlich unterhalb der Inflationsrate einen realen Verlust bedeute. Brinkmann, einer der Initiatoren der Sonder-Vertreterversammlung, fand deutliche Worte zum Berliner Verhandlungsergebnis. Der 13. September 2023 (Abschluss der Finanzierungsverhandlungen, Anm. d. Red.) sei ein ganz, ganz schwarzer Tag für die Selbstverwaltung gewesen, an dem „unsere legitimen Interessen verraten und verkauft worden (sind)“. An die versammelten Delegierten appellierte er: „Es reicht! Wir müssen endlich aktiv werden!“

„Ergebnis der Finanzierungsverhandlungen enttäuschend“
Hintergrund der Sonder-VV ist das Ergebnis der Finanzierungsverhandlungen für das Jahr 2024. Hier hatten sich die Verhandlungspartner bekanntlich auf eine Steigerung des Orientierungswerts um 3,85 Prozent geeinigt. Dieses Ergebnis bezeichneten die Mitglieder der KVWL-Vertreterversammlung in einer Resolution als „enttäuschend“. Sie fühlten sich „im Stich gelassen“ und sehen die „Attraktivität der Niederlassung und damit die Versorgung der Bevölkerung (…) in großer Gefahr“. Um diese Gefahren für die ambulante Versorgung abzuwenden, forderten sie den Vorstand der KVWL auf, die „notwendige Umgestaltung der Finanzierungssystematik mit aller Macht anzustoßen“. Schon die Zusammensetzung der Gruppe derer, die diesen Antrag stellten, ließ mit Beteiligung der „Fraktionsvorsitzenden“ Anke Richter-Scheer (Hausärztin), Dr. med. Ulrich Tappe (Facharzt) sowie Dipl.-Psych. Gebhard Hentschel (Psychotherapeut) darauf schließen, dass diese Forderung auf breite Zustimmung stoßen würde. Und das Ergebnis der folgenden Abstimmung bestätigte diese Annahme: 25 VV-Mitglieder stimmten dem Antrag zu, vier enthielten sich, Nein-Stimmen gab es keine.
Unterstützung durch Patienten?
Unterschiedliche Bewertungen gab es zu Überlegungen, inwiefern es gelingen könnte, die Unterstützung der Patientinnen und Patienten für die eigenen politischen Ziele zu gewinnen. Allerdings sei spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem man die breite Öffentlichkeit über die existenziellen Probleme des ambulanten Versorgungssektors informieren müsse. Die Vertreterversammlung zeigte sich überzeugt davon, dass „nur durch eine breite Unterstützung unserer Proteste es in Zukunft noch Arzt- und Psychotherapeutenpraxen geben (wird).“ Diese Überzeugung wurde in einer weiteren Resolution fixiert, mit der der KVWL-Vorstand beauftragt wurde, „die Bevölkerung umfassend über diese Problematik zu informieren“.
Den Protest in die Öffentlichkeit tragen: Info-Material für Ihre Praxis!
Unter kvwl.de/praxenkollaps hat die KVWL die politischen Kernforderungen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten zielgruppengerecht aufbereitet. Mithilfe von Plakaten und Postkarten können Praxen ihre Patienten auf die Missstände hinweisen. Das Bestellformular zum Plakat- und Postkartenset finden Sie weiter unten.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bietet zudem auf einer zentralen Protest-Website praxenkollaps.info eine einfache Möglichkeit, Bundestagsabgeordneten eine Protest-E-Mail zukommen zu lassen. Über einen entsprechenden Filter finden interessierte Bürger die zu ihrem Wahlkreis gehörenden Abgeordneten. Diesen können sie dann entweder eine vorformulierte Mail schicken oder selbst einen kurzen Text verfassen, um ihren Arzt oder ihre Psychotherapeutin bei dem Protest zu unterstützen.
Bestellen Sie hier das Material für Ihre Praxis!
Das sind die Forderungen der Praxen an die Politik
Tragfähige Finanzierung: Retten Sie die Praxen aus den faktischen Minusrunden und sorgen Sie für eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung insbesondere Inflation und Kostensteigerungen unmittelbar berücksichtigt!
Abschaffung der Budgets: Beenden Sie die Budgetierung, damit auch Praxen endlich für alle Leistungen bezahlt werden, die sie tagtäglich erbringen!
Ambulantisierung: Setzen Sie die angekündigte Ambulantisierung jetzt um – mit gleichen Spielregeln für Krankenhäuser und Praxen!
Sinnvolle Digitalisierung: Lösen Sie mit der Digitalisierung bestehende Versorgungsprobleme. Sorgen Sie für nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik sowie die entsprechende Finanzierung, und belassen Sie die datengestützte Patientensteuerung in ärztlichen und psychotherapeutischen Händen!
Mehr Weiterbildung in Praxen: Stärken Sie die ärztliche und psychotherapeutische Weiterbildung! Diese muss – um medizinisch und technisch auf dem aktuellen Stand zu sein – schwerpunktmäßig ambulant stattfinden. Beziehen Sie auch hier die niedergelassene Vertragsärzte- und Psychotherapeutenschaft ein!
Weniger Bürokratie: Schnüren Sie das angekündigte Bürokratieabbaupaket, damit wieder die Medizin im Vordergrund steht und nicht der „Papierkram“!
Keine Regresse: Schaffen Sie die medizinisch unsinnigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab! Die Arzneimittelregresse müssen weg!
Die oben genannten Forderungen der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft vom 18. August 2023 an die Politik hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Zuge der Aktion #PraxenKollaps übermittelt (Vgl. die Meldung „Historischer Tag für das ambulante Gesundheitssystem“ weiter unten). Von zwei Journalistinnen in der Bundespressekonferenz am 13. September darauf angesprochen, wie er auf die Forderungen reagieren werde, hatte Lauterbach sinngemäß erwidert, dass er sich nicht genau daran erinnern könne. Er bekomme viele Briefe und Forderungen auf den Tisch. Eine Antwort, wie er konkret mit den Forderungen umgehen möchte, ließ er den Journalistinnen gegenüber offen (und antwortete der KBV auch später nur in Teilen, ausweichend bzw. unbefriedigend). Sehen Sie hier Lauterbachs Reaktion:
Meldungen zum Thema Praxenkollaps
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Apothekensterben und Praxenkollaps verhindern
Wie ernst ist die Lage in der ambulanten medizinischen Versorgung? „Sehr ernst!“, sagt Dr. Dirk Spelmeyer. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) bekennt: „Als KVWL erklären wir uns am heutigen Protesttag solidarisch mit den Apotheken- und Praxisteams. Wir haben vollstes Verständnis für ihre Aktion. Die deutsche Gesundheitspolitik führt zum Apothekensterben und fährt die ambulante Versorgung in den Praxen – um die uns bisher die ganze Welt beneidet – vor die Wand!“
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„Helfen Sie uns, den Praxenkollaps zu verhindern!“ – KVWL appelliert an Patienten
In ganz Deutschland machen Ärzte und Psychotherapeuten aktuell mit Protesten auf den drohenden Praxenkollaps aufmerksam. Die Kernprobleme lauten: Bürokratie-Wahnsinn, Unterfinanzierung, Fachkräftemangel, mangelhafte Gesetzgebung. Die KVWL ruft Patientinnen und Patienten zur Unterstützung auf.
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KVWL fordert angemessene Vergütung für digitale Prozesse
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) spricht sich im Zuge der laufenden Finanzierungsverhandlungen auf Bundesebene für eine angemessene Vergütung von digitalen Prozessen aus.