„Es braucht zwingend ein Umdenken“

KVWL stellt Bausteine für ein starkes Fundament der ambulanten Versorgung vor

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© KVWL

Dortmund, 08.04.2025 – Das deutsche Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen. Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen wie der demografische Wandel und die zunehmende Morbidität erfordern schnelle und wirksame Reformen. Vor diesem Hintergrund hat die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) Bausteine entwickelt, die für ein starkes und nachhaltiges Fundament der ambulanten Versorgung unabdingbar sind. Die wesentlichen Bestandteile des innovativen Positionspapiers stellte der KVWL-Vorstand am Dienstag (8. April) während einer digitalen Pressekonferenz vor – verbunden mit einer deutlichen Botschaft an die Politik.

Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL: „Wir befinden uns im deutschen Gesundheitswesen an einem entscheidenden Wendepunkt. Die aktuelle Ausgestaltung unseres Systems ist künftig weder personell noch finanziell zu stemmen. Mit unserem Positionspapier zeigen wir der Politik konstruktive Lösungswege auf. Einige Vorschläge haben bereits Einzug in die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen gefunden. Allerdings brauchen wir mit dem Start der neuen Bundesregierung einen echten Politik- und Stilwechsel! Für eine zukunftsgerechte Versorgung brauchen wir ein starkes und nachhaltiges Fundament. Beim Gießen dieses Fundaments stehen wir als ärztliche Selbstverwaltung – als Partner auf Augenhöhe – selbstverständlich zur Verfügung.“

Beim Thema Patientensteuerung verfolgt die KVWL neue Ansätze. Spelmeyer: „Derzeit leisten wir uns als eines von ganz wenigen Ländern weltweit eine Struktur, in der maßgeblich diejenigen entscheiden, welche Ressourcen zur Behandlung eingesetzt werden, die im Hinblick auf diese Entscheidung am wenigsten Expertise mitbringen: die Patienten. Und das meine ich ganz ohne Vorwurf – es ist schlicht nicht ihre Aufgabe, sie sind ja keine Mediziner! Die Folge: Über-, Unter- und Fehlversorgung. Hier braucht es zwingend ein Umdenken!“ Beginnend bei der ambulanten Notfallversorgung spricht sich die KVWL daher für eine verpflichtende Erstkontaktaufnahme über die bereits bestehende Patientenservice-Hotline 116117 aus. Spelmeyer: „In anderen Ländern – beispielsweise in Österreich – ist dieses Modell bereits über eine Art Gesundheitsleitstelle erfolgreich umgesetzt worden.“

Hieraus auf die ambulante Regelversorgung abgeleitet fordert die KVWL die Einführung eines verbindlichen Bezugspraxensystems, das für eine effektivere Patientensteuerung sorgen soll.

Bei der Anzahl der Arzt-Patienten-Kontakte rangiert Deutschland mit knapp zehn Konsultationen im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe (Stand 2022). Durch ein effizientes Bezugspraxensystem können Wartezeiten für Patienten deutlich verringert werden. Durch eine strukturiertere Betreuung steigt zudem die Behandlungsqualität. Auch die Praxen würden hierdurch entlastet werden und könnten sich noch stärker auf ihre Patienten fokussieren.

Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen aus Sicht der KVWL entsprechende Vergütungsanreize für die Praxen geschaffen werden. Mit der Einführung eines Praxis-Patienten-Kontaktes als Voraussetzung für die Vergütung könnten viele medizinisch nicht notwendige Arzt-Patienten-Kontakte reduziert werden.

Zugleich zahlt eine entsprechende Vergütungsreform auf das Modell der Teampraxis ein, das die KVWL seit Jahren vorantreibt und unterstützt. Anke Richter-Scheer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KVWL: „Die Praxen sind voll! Daher müssen wir die ärztlichen Aufgaben noch stärker auf mehrere Schultern verteilen. Schon heute entlasten hochqualifizierte und akademisierte Praxis-Mitarbeitende – beispielsweise die Primary Care Managerin oder der Physician Assistant – die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen. Allerdings möchte dieses Personal auch adäquat bezahlt werden. Dieser Umstand sollte bei der Honorierung erbrachter Leistungen berücksichtigt werden. Neben dem Praxis-Patienten-Kontakt fordern wir daher auch einen Zuschlag für Teampraxen!“

Zudem blickte Anke-Richter Scheer auf das Thema Digitalisierung, ein weiterer entscheidender Hebel, um die Versorgungsqualität für Patienten verbessern und die Praxen stärker entlasten zu können. „Eine moderne Ausstattung der Praxen mit digitalen Tools und dazugehöriger Hardware erzeugt finanzielle und zeitliche Aufwände. Sie ist aber zugleich Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation der Praxen und schlussendlich des gesamten Gesundheitswesens. Als KVWL setzen wir uns daher ausdrücklich für ein Praxiszukunftsgesetz ein! Dieses sieht unter anderem die Einführung eines Investitionsförderprogramms durch den Bund vor. Dadurch könnten die Praxen entsprechende Förderanträge über die Landes-KVen stellen, um die Ausstattung und Betrieb einer digitalen Praxis sicherzustellen. Dieses Thema muss die nächste Bundesregierung unbedingt  auf ihre Agenda setzen!“

KVWL-Pressestelle