Notfall- und Akutversorgung in Westfalen-Lippe gut aufgestellt

Optimale Patientensteuerung braucht klare gesetzliche Leitplanken

Callcenter-Agent des Patientenservices 116 117
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Dortmund, 17.09.24 – Die Herausforderungen für den ambulanten Ärztlichen Bereitschaftsdienst – auch Notfalldienst genannt – sind nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) Dr. Dirk Spelmeyer größer denn je. Daher fordert die KVWL eine verbindliche Patientensteuerung. Zugleich sieht er den durch die KVWL organisierten Notfalldienst nach vielen strukturellen Neuerungen in den vergangenen Jahren auf dem richtigen Weg. Zahlen belegen das.

So gibt es inzwischen 35 Portalpraxen in Westfalen-Lippe, Tendenz steigend. Das Besondere: Alle Patienten werden dort zunächst an einem gemeinsamen „Versorgungs-Tresen“, organisiert von KVWL und Krankenhaus, empfangen. Die fachkundigen Mitarbeitenden entscheiden dann, ob die Behandlung weiter ambulant durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst der KVWL in der Portalpraxis oder im Krankenhaus mit erweiterten Diagnostik-Leistungen stattfindet.

„Wir arbeiten in der Notfallversorgung mittlerweile sehr eng mit den Krankenhäusern in Westfalen-Lippe zusammen. Portalpraxen sind Beispiele für eine sehr gut funktionierende intersektorale Zusammenarbeit mit dem stationären Bereich – und damit wegweisend für die Versorgung der Zukunft“, macht Dr. Dirk Spelmeyer deutlich. Gleichzeitig betont er, dass die angestoßene Krankenhausreform ein Umdenken in der Finanzausstattung des ambulanten Sektors nach sich ziehen muss: „Aus Sicht der KVWL ist es offenkundig, dass die Krankenhauslandschaft in Deutschland dringend reformbedürftig ist. Eine vernünftig umgesetzte Ambulantisierung kann die Patientenversorgung insgesamt verbessern. Teure Krankenhausstrukturen, die nicht notwendig sind, müssen abgebaut werden. Gleichzeitig muss der ambulante Sektor, wenn er an dieser Stelle Verantwortung und Leistungen übernehmen soll, auch mit den entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet werden. Hier kann nicht, wie bisher geschehen, mit zweierlei Maß gemessen werden.“
 

116 117 wird immer wichtiger für gezielte Patientensteuerung

Vor anderthalb Jahren hat die KVWL die Patientenservice-Hotline 116 117 neu organisiert und nachhaltig verbessert. Durch den gezielten Einsatz moderner und standardisierter Technologien bekommen Anrufende bei der 116 117 rund um die Uhr eine medizinische Ersteinschätzung zu ihren Beschwerden. So werden die Patienten entsprechend der Dringlichkeit ihrer Erkrankung in die richtige Versorgungsebene gesteuert. Diese können sein: Hausarztpraxis, Videosprechstunde, Notfallpraxis, Krankenhausambulanz oder aufsuchender Dienst.

Für den Patienten ist es oft schwierig in der akuten Erkrankungssituation zu entscheiden, in welcher Versorgungsebene er am besten betreut wird. Genau hier wollen wir mit dem Patientenservice der 116 117 gezielt unterstützen. Insgesamt kümmern sich mittlerweile rund 100 Mitarbeitende um die Anliegen der Hilfesuchenden. Dabei handelt es sich um medizinisch geschultes Personal, dessen Aufgabe es ist, die Patientinnen und Patienten jederzeit in die richtige Versorgungsebene zu steuern. KVWL-Chef Dr. Dirk Spelmeyer ist mit der Entwicklung der 116 117 in den vergangenen Jahren sehr zufrieden: „Es hat sich schon nach relativ kurzer Zeit gezeigt, dass die Neuorganisation der 116 117 in Westfalen-Lippe genau der richtige Entschluss war. Mittlerweile haben sich die Abläufe sehr gut eingespielt – wir bekommen regelmäßig und von vielen Stellen die Rückmeldung, dass dies zum Beispiel auch die Notaufnahmen in den Krankenhäusern sowie den Rettungsdienst entlastet. Wir sind uns gleichzeitig darüber im Klaren, dass wir in Sachen Patientensteuerung noch lange nicht am Ende unserer Möglichkeiten angekommen sind.“
 

Gesetzliche Rahmenbedingungen für klare Patientenzuordnung fehlt

Auf Initiative des NRW-Gesundheitsministeriums (MAGS) sowie der beiden Landes-KVen Westfalen-Lippe und Nordrhein gibt es seit mehreren Monaten eine Abstimmungsrunde der Leistungserbringer und Kostenträger in der Notfall- und Akutversorgung. Ziel des Austausches mit Krankenhäusern, Rettungsdiensten und Krankenkassen ist es, ein gemeinsames Verständnis für die Ausgestaltung der Akut- und Notfallversorgung zu schaffen und Lösungen zu erarbeiten. Zudem sollen die generell knappen Ressourcen im Gesundheitssystem durch bessere Abstimmung untereinander sowie durch eine Optimierung der Versorgungspfade gebündelt werden. Auch an der digitalen Vernetzung zwischen der 112 und der 116 117 arbeiten KVen und Rettungsdienste intensiv zusammen, um die Patientenübergabe zu vereinfachen. Dabei sind sich alle Seiten dahingehend einig, dass man nur gemeinsam die anstehenden Herausforderungen bewältigen kann.

KVWL-Chef Dr. Dirk Spelmeyer sieht gerade in verbindlicheren Rahmenbedingungen einen maßgeblichen Lösungsansatz für die Patientensteuerung der Zukunft. Genau hier sei der Bund am Zug, die dafür nötigen Voraussetzungen zu schaffen: „Patienten haben ein subjektives Empfinden, wie dringend ihre Beschwerden sind. Es steht ihnen im deutschen Gesundheitswesen derzeit noch völlig frei, welche Struktur sie aufgrund ihrer subjektiven Einschätzung aufsuchen und wo sie behandelt werden möchten. Mit der 116 117 gibt es aber bereits ein System, bei dem der Patient medizinisch ersteingeschätzt und anschließend in die richtige Versorgungsebene gesteuert wird.“ Auch die Terminvermittlung laufe in bestimmten Fällen über die 116 117. Solle die Akutversorgung allerdings wirklich gesteuert werden, müsste der Anruf bei der 116 117 verpflichtend für die Patienten sein, bevor sie selbstständig zum Beispiel eine Notaufnahme oder eine Notdienstpraxis aufsuchen. Dr. Dirk Spelmeyer: „In anderen Ländern – beispielsweise in Österreich – ist dieses Modell bereits über eine Art Gesundheitsleitstelle erfolgreich umgesetzt worden.“
 

KVWL plädiert für verbindliche Patientensteuerung

Spelmeyer fasst zusammen: Eine zentrale und verpflichtende Steuerung würde das gesamte System nachhaltig entlasten. Außerdem muss auch das Problem angegangen werden, dass Patienten zu häufig Termine ausmachen, diese aber nicht einhalten. Dadurch gehen wertvolle Zeit- und Personalressourcen unnötig verloren – und dies wirkt sich vor allem negativ auf diejenigen Patienten aus, die wirklich dringend einen Termin bräuchten.

Daher begrüßen wir jede Regelung, die mehr Verbindlichkeit beim Patienten bringt. Dies zu regeln ist allerdings Aufgabe des Gesetzgebers. Solange er diese Aufgabe nicht angeht, kommen wir mit allen guten Ideen und Lösungsstrategien nicht wirklich von der Stelle.“

KVWL-Pressestelle