Das Konzept Planetary Health
Während man sich in gesundheitlichen Belangen lange Zeit nur auf einzelne Aspekte fokussiert hat, sind sich Experten heute einig, dass Gesundheit in unserer globalisierten Welt durch so viele Faktoren beeinflusst wird, dass es einen multidisziplinären Ansatz braucht, um den zahlreichen Herausforderungen zu begegnen. Genau hier setzt Planetary Health (deutsch: planetare Gesundheit) an. Das noch junge, umfassende, wissenschaftliche Gesundheitskonzept basiert auf dem Forschungsansatz: ohne gesunde Ökosysteme kein gesundes Klima; ohne gesundes Klima keine gesunde Menschheit.
Klima- und Umweltschutz sind zwei wesentliche Voraussetzungen für ein gesundes Leben. Weil dieser Erkenntnis zu lange zu wenig Beachtung geschenkt wurde, stecken wir aktuell in einer Klimakrise, deren teils dramatischen Auswirkungen nicht mehr zu übersehen sind: Starkregenfälle wie jene, die im Juli 2021 an Ahr und Erft zu einer Flutkatastrophe führten, werden durch die Klimaerwärmung wahrscheinlicher. Auch andere extreme Wetterereignisse wie Stürme, Hitzewellen, Waldbrände, Kälteperioden, Trockenheit und Dürren treten in Folge häufiger auf. Weltweit. Aber auch in Deutschland. Und auch in Westfalen-Lippe.
Für den Gesundheitssektor bedeutet das unter anderem: Wir müssen uns auf veränderte Krankheitsbilder und Notfallsituationen vorbereiten. Das stellt insbesondere Ärzte vor zusätzliche Herausforderungen: nichtübertragbare Krankheiten aufgrund von Fehlernährung, Exsikkose und weitere Folgen extremer Hitze, zunehmende Luftverschmutzung und dadurch mitverursachte Atemwegserkrankungen sowie antimikrobielle Resistenzen, aber auch die Ausbreitung von tropischen Krankheiten (Malaria, Dengue, Zika), die ursprünglich regional begrenzt auftraten.
Doch ausgerechnet das Gesundheitswesen selbst trägt auch einen wesentlichen Teil zum Klimawandel bei. Während laut Virchowbund im Jahr 2017 Passagierflugzeuge 31,2 Millionen Tonnen CO2 verursacht haben, lag das Gesundheitswesen bei 54 Millionen Tonnen CO2. Damit stammten insgesamt 5,2 Prozent aller emittierten Treibhausgase aus dem Gesundheitssektor. Der größte Anteil entfällt auf Medizinprodukte und die damit verbundenen Lieferketten. Darüber hinaus führen auch die hohe Energieintensität vieler medizinischer Einrichtungen, der Einsatz von klimaschädlichen Medikamenten und die anhaltende Verbreitung von Einwegprodukten zu einer weiteren Belastung der Umwelt.
Es ist daher wichtig, dass der Gesundheitssektor Maßnahmen ergreift, um seinen Beitrag zum Klimawandel zu reduzieren. Dazu gehören die Förderung von umweltfreundlichen Praktiken in medizinischen Einrichtungen, die Reduzierung des Einsatzes von klimaschädlichen Medikamenten und die Sensibilisierung von Mitarbeitern und Patienten für das Thema Nachhaltigkeit.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) verschließt die Augen nicht vor den klimabedingten Herausforderungen. Schon im Sommer 2022 gab es einen Workshop mit Vertretern der KVWL und des Universitätsklinikums Köln (PMV forschungsgruppe und Institut für Allgemeinmedizin). Als Ergebnis hat die gemeinsame Projektgruppe den „Policy Brief Planetary Health“ (s. Link-Tipps) aufgesetzt, der Themen beschreibt, denen sich die Ärzteschaft verstärkt widmen sollte – beispielsweise der Nachhaltigkeit in der eigenen Praxis.
Darüber hinaus sensibilisiert die KVWL sowohl Mitglieder als auch Mitarbeiter für das Thema Klimaschutz und ist seit Frühjahr 2024 Mitglied bei KLUG, der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit; übrigens als erste Kassenärztliche Vereinigung.
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CO2-Fußabdruck GesundheitssektorThemenseite der Bundesärztekammer
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Policy Brief von KVWL und UKKBereit für Hitzewellen, Fluten und andere Ereignisse – wie der ambulante Sektor und andere Sektoren des Gesundheitswesens in NRW die Herausforderungen des Klimawandels meistern können.
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Klima. Mensch. Gesundheit.Themenseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
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Infoportal Hitze und GesundheitInformationen des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen
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Centre for Planetary Health PolicyAnalysen und Evidenzsynthesen zu planetarer Gesundheit
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Klimaneutraler GesundheitssektorStudie von BARMER und F.A.Z.-Institut
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Health for FutureZusammenschluss von Menschen aus dem Gesundheitsbereich, die sich für den Klimaschutz einsetzen