„Ambulante Versorgung kann auch Krise“ – KVWL fordert bessere Bedingungen und klare politische Linie

Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe am KVWL-Stand beim Gesundheitskongress des Westens heute in Köln: (v. l.) Dr. Volker Schrage (stellv. Vorstandsvorsitzender), Dr. Dirk Spelmeyer (Vorstandsvorsitzender) und Thomas Müller (Vorstand).
© Foto: KVWL/Carsten Vosseler
Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe am KVWL-Stand beim Gesundheitskongress des Westens heute in Köln: (v. l.) Dr. Volker Schrage (stellv. Vorstandsvorsitzender), Dr. Dirk Spelmeyer (Vorstandsvorsitzender) und Thomas Müller (Vorstand). (Foto: KVWL/Carsten Vosseler)

Dortmund/Köln, 03.05.2022. Was kann man aus der Versorgung während der Corona-Pandemie lernen? Welche Schlüsse müssen gezogen werden? Und wie lassen sich die vorhandenen oder geplanten Strukturen finanzieren? Von ganz persönlichen Erfahrungen der Pandemiebekämpfung und der Organisation ambulanter Versorgungsstrukturen in Krisenzeiten berichtete Dr. Dirk Spelmeyer heute (3. Mai) beim Gesundheitskongress des Westens (GdW) in Köln. Der Vorstandsvorsitzende der KVWL sagte: „Wir haben in Westfalen-Lippe Geschichte geschrieben! Mehr als zehn Millionen Corona-Impfungen, mehr als zehn Millionen mal Hoffnung gegeben, mehr als zehn Millionen mal angepackt – dafür müsste man 100 Millionen Mal Danke sagen!“

Krankenhäusern den Rücken freigehalten

Spelmeyer sprach bei der Podiumsveranstaltung „An vorderster Front: Pandemiebekämpfung aus Sicht der KVen und Universitätskliniken“ über die Erfahrungen der KVWL sowie der in Westfalen-Lippe niedergelassenen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen: „Wenn der ambulante Sektor während der Pandemie eines täglich unter Beweis gestellt hat, dann das: Er ist die letzte große Klammer, die unser Gesundheitswesen in Deutschland zusammenhält.“ Die Begründung lieferte Spelmeyer gleich mit: „Im ambulanten Bereich haben die Niedergelassenen neun von zehn Erkrankten versorgt – und damit den Krankenhäusern den Rücken freigehalten.“ In den vergangenen zwei Jahren hätten sie bewiesen: „Ambulante Versorgung kann auch Krise. Nicht umsonst galt und gilt eine leistungsstarke ambulante Versorgung als Bollwerk gegen die Pandemie“, so Spelmeyer.  

Seit dem ersten Teststäbchen dabei

„Seit dem ersten Teststäbchen im März 2020 sind wir dabei“, sagte Spelmeyer. Schnell seien Test- und Behandlungszentren aufgebaut und die Menschen in den Pflegeheimen versorgt worden. Der Infektionsschutz in den Praxen habe die Handlungsfähigkeit erhalten, und in kürzester Zeit sei es gelungen, 10.000 Freiwillige für die Impfzentren zu gewinnen. „Ob beim Impfen in den Heimen oder anschließend in den Praxen – wo immer wir antreten mussten, haben wir unsere Ziele erreicht“, so Spelmeyer. Er bekannte: „Wir sind die, die immer da sind. Und wir weichen keinen Schritt zurück. Ja, die Ärztinnen und Ärzte mit ihren Praxisteams waren und sind die letzte Schutzmauer im Kampf gegen Corona. Das sind Leistungen, die genauso honoriert gehören wie die Leistungen der stationären Kolleginnen und Kollegen“, forderte er nochmals einen Corona-Bonus auch für Medizinische Fachangestellte.

Lehren aus der Pandemie

Spelmeyer resümierte: „Wir brauchen in Deutschland erstens eine bessere Koordination der Aktivitäten und der Verantwortung durch die Bundesländer oder den Öffentlichen Gesundheits­dienst. Die ärztliche Selbstverwaltung in NRW hat gezeigt, dass sie flexibel ist und im Sinne der Versorgung handeln kann.“

Zweitens seien klare Rahmenbedingungen für die handelnden Akteure wichtig: „Verordnungen ohne klaren Inhalt, statt Lösungen oft nur Schweigen der Verantwortlichen in der Politik – und zu allem Überfluss fiel dann noch das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht den engagierten Helfern in den Arm.“ Und drittens sei eine nachhaltige Förderung der Digitalisierung von Bedeutung: „Dass wir Digitalisierung und eine gemeinsame Infrastruktur brauchen, ist in der Pandemie deutlich geworden wie nie“, so Spelmeyer. Ein Krankenhauszukunftsgesetz sei richtig, aber „nur die halbe Miete – beide Sektoren brauchen einen Antrieb bei der Weiterentwicklung. Deshalb sage ich: Wir benötigen ebenso dringend ein Praxiszukunftsgesetz!“

Praxiszukunftsgesetz gefordert

Spelmeyer erläuterte diese konkrete Erwartung an die Gesundheitspolitik: „Wir wollen keinen Beifall – geschenkt. Nein, wir wollen bessere Rahmenbedingungen für den ambulanten Gesundheitssektor und eine klare politische Linie.“ Der KVWL-Vorstandsvorsitzende sagte: „Die Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, dass wir zwingend eine zielgerichtete Digitalisierungsstrategie benötigen. Wir müssen hier jetzt schleunigst das Gaspedal finden. Wir brauchen ein Praxiszukunftsgesetz, wenn das Boot der ambulanten Versorgung, in dem wir alle gemeinsam sitzen, nicht untergehen soll.“ Ein Forderungspapier mit Eckpunkten eines solchen Praxiszukunftsgesetzes hatte der Vorstand der KVWL gestern (2. Mai) in Dortmund bereits Andreas Pinkwart präsentiert. Der NRW-Wirtschafts- und Digitalisierungsminister besuchte dort die Ausstellung „dipraxis – Zukunft zum Anfassen“. – sk

KVWL-Pressestelle