„Digital, nachhaltig, 24/7“ – Gesetzesvorstoß soll Zukunft der ambulanten Medizin sichern – Mit Digital-Assistenten fit für die Zukunft
Dortmund/Köln, 04.05.2022. Wie lässt sich die Entwicklung der Digitalisierung im ambulanten Gesundheitswesen nachhaltig fortschreiben? Dieser Frage ging die Veranstaltung „Nachhaltig, digital, 24/7 – Visionen für die ambulante Versorgung“ heute (Mittwoch, 4. Mai) beim Gesundheitskongress des Westens (GdW) in Köln nach. Thomas Müller, als KVWL-Vorstand unter anderem verantwortlich für die Bereiche IT und eHealth, stellte das Projekt einer vollständig digitalisierten Arztpraxis „dipraxis“ vor: „Mit diesem über Westfalen-Lippe hinaus einmaligen Projekt bringen wir unseren Mitgliedern die Digitalisierung in ganz konkreten Anwendungsfällen näher. Digital, nachhaltig, 24/7 – das ist für uns keine Zukunftsvision mehr, sondern schon heute gelebte Praxis.“ Der KVWL-Vorstand forderte vom Bund ein neues Praxiszukunftsgesetz: „Nur so können wir der Digitalisierung auch im ambulanten Bereich flächendeckend zum Durchbruch verhelfen.“
Grenzen überwinden
„Wie wichtig digitale Anwendungen als Hilfsmittel waren und sind, um erforderliche Distanz und Isolation zu überwinden, hat uns die Pandemie vor Augen geführt“, sagte Müller. So erlebte beispielsweise die Videosprechstunde in den letzten beiden Jahren einen echten Boom. Auch die nach wie vor vorhandenen und bisweilen noch recht starren Sektorengrenzen könnten unter anderem mithilfe der Digitalisierung überwunden werden. Elektronische Fallakten sollen dabei die Basis für interprofessionelle Zusammenarbeit bilden – „Das funktioniert aber nur, wenn auch alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte mittels einer funktionierenden Telematik-Infrastruktur darauf zugreifen können“, verdeutlicht Müller die Herausforderung.
Praxiszukunftsgesetz – Forderung an Ampel-Koalition
Um sowohl die schon heute verfügbaren als auch die zukünftigen digitalen Angebote flächendeckend in den Praxen zu etablieren, sind zusätzliche Investitionen erforderlich. Darum fordert die KVWL in Anlehnung an das mehrere Milliarden Euro schwere Krankenhaus-Zukunftsgesetz ein entsprechendes Angebot für die Praxen. Müller: „Der ambulante Bereich muss ebenso wie der stationäre Sektor bei den Themen digitale Kommunikation und Datenaustausch mit den Krankenhäusern gefördert werden. Wir benötigen ein Praxiszukunftsgesetz, damit die Digitalisierung in beiden Sektoren adäquat gestärkt wird!“
Nicht im Regen stehen lassen
Thomas Müller fand deutliche Worte: „Es kann nicht sein, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bei der nötigen Digitalisierung ihrer Praxen im Regen stehen gelassen werden. Es wäre grotesk, wenn sie auf den nötigen Investitionskosten sitzen bleiben würden.“ Müller unterstrich: „Es wäre schlicht nicht nachvollziehbar, wenn Krankenhäuser staatliche Förderung erhalten, aber unsere Mitglieder zur Kasse gebeten werden. Hier ist der Gesetzgeber dringend gefordert, Abhilfe zu schaffen. Die Lösung: ein Praxiszukunftsgesetz.“
Praxiszukunftsfonds und „Digi-MFAs“
Die KVWL schlägt mit diesem Gesetzesvorstoß konkret vor, auf Bundesebene analog zum „Krankenhauszukunftsfonds“ einen „Praxiszukunftsfonds“ einzurichten. „Dieser Zukunftsfonds muss es den Praxen ermöglichen, unbürokratisch Förderanträge für die Ausstattung und den Betrieb einer digitalen Praxis zu stellen“, erläuterte Müller. Ein digitales „Reifegradmodell“ soll zunächst die Ausgangslage der Praxen bewerten und dann Empfehlungen zur Digitalisierung machen. Die finanzielle Förderung soll dann gemäß dem KVWL-Vorschlag auch für die Schulung der Mitarbeitenden eingesetzt werden: „Damit können die medizinischen Fachangestellten Fortbildungen zum Digital-Assistenten machen; die Digi-MFAs werden dann digitale Tools optimal nutzen. So bauen wir flächendeckend digitale Kompetenz in den Praxisteams auf“, präzisiert Müller.
Vernetzung und Kommunikation
Digitale Hilfsmittel können vielfach Nutzen stiften: „Ist zum Beispiel in der Praxisorganisation alles optimal miteinander vernetzt, gewinnen die Mitarbeitenden Zeit – das ist auch für die Patientinnen und Patienten von Vorteil“, unterstreicht Müller. Zudem sollen Praxen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen optimal miteinander vernetzt werden sowie vermehrt Telekonsile zum Einsatz kommen: Sie ermöglichen Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen, sich professionsübergreifend zu beratschlagen. Der KVWL-Vorstand führt weitere Beispiele für Maßnahmen an: „Elektronische Patientenportale und Apps können die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten verbessern. Und ein digitales Medikationsmanagement wird die Arzneimitteltherapie-Sicherheit weiter erhöhen. Es geht hier um nicht weniger als um einen grundlegenden Transformationsprozess in den Praxen, den wir mit dem Praxiszukunftsgesetz anschieben wollen!“
Breites Interesse
Die „dipraxis“ soll neben dem Praxiszukunftsgesetz der Motor sein, um die digitale Zukunft überall möglich zu machen. Das niedrigschwellige und herstellerunabhängige Angebot stößt derweil auf ein breites regionales wie überregionales Interesse. Dabei sind nicht nur Ärztinnen und Ärzte interessiert, sondern auch Mitarbeitende von Krankenkassen und Berufsverbänden sowie Politikerinnen und Politiker aus Bund und Land. Zuletzt hatte NRW-Digitalisierungsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart am vergangenen Montag (2. Mai) die Digitalisierungsstrategie der KVWL bei einem Besuch der dipraxis in Dortmund gelobt. – sk