Droht auch ärztlichem Bereitschaftsdienst der Kollaps?

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts

Gebäude KVWL Dortmund Ärztehaus
© KVWL

Dortmund, 27.10.2023. – Besorgt hat der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom vergangenen Dienstag (24. Oktober) reagiert. Demnach können freiberuflich tätige Poolärztinnen und -ärzte im Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Sozialversicherungspflicht unterliegen. „Das würde künftig erhebliche Auswirkungen auf die ambulante Versorgung der Patientinnen und Patienten haben. Jetzt drohen Schließungen von Ärztlichen Bereitschaftsdienst-Praxen“, befürchtet KVWL-Vorstandsvorsitzender Dr. Dirk Spelmeyer.

Bisher übernehmen in Westfalen-Lippe ca. 600 Poolärzte rund 30 Prozent der Dienste im Ärztlichen Bereitschaftsdienst. Poolärzte sind Ärzte, die in Westfalen-Lippe nicht niedergelassen sind, aber auf freiwilliger Basis Dienste im Bereitschaftsdienst in dem nordrhein-westfälischen Landesteil leisten. Sie spielen für die Versorgungsstruktur in den mehr als 90 Bereitschaftsdienst-Praxen und für die Hausbesuche, die über den Fahrdienst der 116 117 organisiert werden, eine entscheidende Rolle.

Poolärzte aus der Versorgung nehmen?

„Durch die drohende Sozialversicherungspflicht kommen auf die KVWL Mehrbelastungen zu, die  finanziell und logistisch nicht zu stemmen sind. Darum steht jetzt die Frage im Raum, die Poolärzte aus der Versorgung zu nehmen“, unterstreicht Spelmeyer. Um Rechtssicherheit herzustellen, prüft die KVWL nun, ob die Bereitschaftsdienste künftig den niedergelassenen Ärzten zugewiesen werden müssen, die grundsätzlich zu deren Übernahme verpflichtet sind. „Hierfür ist aber eine rechtliche Bewertung des Urteils anhand der schriftlichen Urteilsbegründung notwendig“, so Spelmeyer. Diese wird jedoch erst in einigen Wochen, wenn nicht Monaten, erwartet.

Bei dem Urteil handelt es sich konkret um eine Einzelfallentscheidung, die hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf alle Poolärzte geprüft werden muss. Im Zuge dessen sind auch Fragen zu einer eventuell notwendigen neuen Vertragsgestaltung oder einer möglichen Pauschalbesteuerung zu klären.

„Wegen der zunehmenden Überalterung ist die Zahl dienstfähiger Ärztinnen und Ärzte stark begrenzt und nimmt weiter ab. Darum wäre eine Überführung der Dienste nur realisierbar, wenn wir die Zahl der Bereitschaftsdienst-Praxen in Westfalen-Lippe erheblich reduzieren“, schlussfolgert Dr. Volker Schrage. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende erinnert an den Grundauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen: „Die KVWL ist gesetzlich verpflichtet, auch die Regelversorgung sicherzustellen.  Vor allem im hausärztlichen Bereich weist diese an vielen Orten aber schon jetzt erhebliche Versorgungslücken auf.“

Negative Auswirkungen minimieren

KVWL-Vorstand Thomas Müller stellt fest: „Das Bereitschaftsdienst-System hat bisher sehr gut funktioniert. Wir fordern von der Politik, dass sie Ärzte im Bereitschaftsdienst den gesetzlich von der Sozialversicherungspflicht befreiten Ärzten im Rettungsdienst gleichstellt.“ Müller erläutert: „Es ist völlig unverständlich, dass einem bewährten System jetzt der Kollaps droht. Für die Menschen in Westfalen-Lippe wünschen wir uns, dass die Politik für Rahmenbedingungen sorgt, die wieder einen tragfähigen Bereitschaftsdienst ermöglichen.“

Die Vorstände der KVWL ziehen folgendes Zwischenfazit: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen stehen vor großen Herausforderungen. Vorrangige Aufgabe ist es jetzt, die aus diesem Urteil resultierenden negativen Auswirkungen auf unsere Ärzte, die KVWL und die Versorgung der Bevölkerung zu minimieren.“

Unabhängig von der Prüfung des aktuellen Gerichtsurteils will die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) unverzüglich auf das Bundesarbeitsministerium (BMAS) zugehen und eine gesetzliche Regelung einfordern, die eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht zum Ziel hat. – sk

 

Informationen zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst in Westfalen-Lippe finden Sie auf unserer Themenseite.

Pressemitteilung zum Download

KVWL-Pressestelle