Fachkräftemangel: „Politik muss aufwachen“

Aktion „PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg!“

Dortmund, 14.08.2023. – „Wenn wir jetzt nicht sofort gegensteuern, bricht das ambulante System komplett zusammen.“ Mit drastischen Worten blickt Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), auf den akuten Fachkräftemangel.

Die Suche nach Praxisnachfolgern gestaltet sich zunehmend schwieriger, die Praxen haben immer größere Probleme, offene Stellen zu besetzen. Eine unzureichende Finanzierung des ambulanten Bereichs, der Trend zur Anstellung und der demografische Wandel lassen die Versorgungslücken immer größer werden. Schon jetzt herrscht in vielen Regionen akuter Fachkräftemangel.

„Die Sicherstellung der ambulanten Versorgung ist fest in der DNA der KVWL verankert, sie ist mir ein absolutes Herzensanliegen. Wir arbeiten mit voller Kraft daran, das System so stabil wie möglich zu halten. Doch der Fachkräftemangel setzt uns massiv zu. Wir benötigen ein umgehendes Aufwachen der Politik und endlich eine vernünftige Wertschätzung derer, die unser Gesundheitssystem jeden Tag am Leben erhalten: Unsere Praxismannschaften in den Regionen“, sagt Dr. Dirk Spelmeyer.

Vor allem der Personalmangel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem großen Problem in den Praxen entwickelt. Immer mehr medizinische Fachangestellte (MFA) wandern in andere Bereiche des Gesundheitswesens wie Kliniken, Krankenkassen und Behörden ab, wo höhere Gehälter gezahlt werden, oder wechseln sogar ganz den Beruf. Viele freie Stellen in den Praxen bleiben unbesetzt. Die Tätigkeiten der fehlenden MFA müssen durch fachfremdes Personal oder durch die Ärzte selbst übernommen werden.

Dr. Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVWL: „Das Berufsbild der MFA hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, die Aufgaben haben deutlich zugenommen, die Belastung ebenfalls. Die Politik muss endlich eine anständige Finanzierungsgrundlage für die Praxen schaffen, damit das Personal auch bezahlt und gehalten werden kann. Ansonsten sind Leistungskürzungen und reduzierte Öffnungszeiten kaum zu vermeiden.“ Ein weiterer Aspekt ist die hohe Belastung der Praxen durch den Formular-Dschungel, der Papierstau kostet Nerven und vor allem wertvolle Patientenzeit. „Der Gesetzgeber muss bei der Entbürokratisierung endlich vorankommen. Die unnötige Belastung sorgt dafür, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen am Ende aus der Niederlassung zurückziehen“, so Dr. Volker Schrage.  

Auch unausgereifte digitale Prozesse setzten den Praxisteams immer mehr zu, sorgen bei potenziellen Nachfolgern für große Skepsis. „Grundsätzlich steht die Ärzteschaft der Digitalisierung offen gegenüber. Allerdings müssen digitale Anwendungen vernünftig erprobt werden. Sie müssen zudem sauber funktionieren und am Ende des Tages eine Erleichterung für den Praxisalltag darstellen. Und bei der Einführung helfen Drohgebärden in Form von Sanktionen nicht weiter – dies erhöht ganz sicherlich nicht die Akzeptanz. Es braucht ein vernünftiges Miteinander für eine zukunftsgerechte Versorgung“, sagt KVWL-Vorstand Thomas Müller.

„PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg!“: Bundesweite Aktion der Kassenärztlichen Vereinigungen

Die KVWL veröffentlicht diese Pressemitteilung im Rahmen der bundesweiten Aktion aller Kassenärztlichen Vereinigungen unter dem Titel „PraxenKollaps – Praxis weg. Gesundheit weg!“ Die Aktion soll auf die akut gefährdete Situation der ambulanten Versorgung aufmerksam machen. Hintergrund sind die Finanzierungsverhandlungen auf Bundesebene, die am 9. August starten.

Höhepunkt der Aktion wird am 18. August eine gemeinsame Krisensitzung der Vertreterversammlungen aller Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin sein. Es werden ärztliche und psychotherapeutische Vertreterinnen und Vertreter aus ganz Deutschland erwartet. Mehr Informationen finden Sie hier.

KVWL-Pressestelle