Historischer Tag für das ambulante Gesundheitssystem

Niedergelassene setzen eindrucksvolles Zeichen – Forderungskatalog an Karl Lauterbach

KVWL-Vertreter zeigen ihren Unmut im Rahmen der Krisensitzung am 18.08.2023 in Berlin
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Berlin/Dortmund, 18.08.2023 – Dieses Zeichen kann selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht mehr übersehen: Mit einem einstimmigen und unmissverständlichen Votum hat die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft heute sieben klare Forderungen an die Politik verabschiedet. Im Rahmen ihrer Krisensitzung in Berlin machten Hunderte Niedergelassene, darunter die Delegierten der Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) klar: So kann es nicht weitergehen!

Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KVWL), führte die große und lautstarke Delegation aus Westfalen-Lippe in der Hauptstadt an. Sein Fazit fällt deutlich aus: „Wir haben heute in Berlin einen bewegenden und historischen Tag für das ambulante Gesundheitssystem erlebt. Wir haben unsere Erwartungshaltung an die Politik klar und deutlich formuliert. Jetzt ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Zug. Er muss endlich aufwachen und das tun, wofür er am Ende des Tages eigentlich bezahlt wird: seinen Job vernünftig zu erledigen. Die Politik muss jetzt sofort handeln und einen Kurswechsel vollziehen – ansonsten droht der vollständige Praxen-Kollaps!“

Der verabschiedete Forderungskatalog (Details siehe Info-Kasten) zeigt die Probleme und Schwächen des derzeitigen Systems deutlich auf. Dr. Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVWL: „Wir brauchen beispielsweise dringend ein Paket zum Bürokratieabbau. Das Thema belastet die Praxen im gesamten Land enorm. Wir dürfen die Augen nicht vor den Fakten verschließen: Wir haben eine Gesamtbürokratiebelastung von 55,6 Millionen Nettoarbeitsstunden jährlich.

Das sind im Mittel 61 Tage pro Praxis und Jahr. Zwei Monate im Jahr ist eine Praxis also ausschließlich mit Bürokratie beschäftigt. Die Zeit fehlt dann am Ende für die Patientinnen und Patienten.“

Eine der größten Baustellen bleibt die Digitalisierung. KVWL-Vorstand Thomas Müller: „Die Niedergelassenen stehen der Digitalisierung offen gegenüber. Allerdings müssen die Ärztinnen und Ärzte bei der Entwicklung vernünftig beteiligt werden. Das Wichtigste: Digitale Produkte benötigen eine ausreichende Platzreife, bevor sie eingeführt werden. Und sie müssen eine Erleichterung zum analogen Prozess darstellen. Die Akzeptanz von digitalen Anwendungen lässt sich ganz bestimmt nicht mit Sanktionsandrohungen erhöhen, vielmehr muss die Politik die Vergütungsstruktur entsprechend anpassen, damit Digitalisierung auch bezahlbar ist.“

Das sind die gemeinsamen Forderungen der Praxen an die Politik:

Tragfähige Finanzierung: Retten Sie die Praxen aus den faktischen Minusrunden und sorgen Sie für eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung insbesondere Inflation und Kostensteigerungen unmittelbar berücksichtigt!

Abschaffung der Budgets: Beenden Sie die Budgetierung, damit auch Praxen endlich für alle Leistungen bezahlt werden, die sie tagtäglich erbringen!

Ambulantisierung: Setzen Sie die angekündigte Ambulantisierung jetzt um – mit gleichen Spielregeln für Krankenhäuser und Praxen!

Sinnvolle Digitalisierung: Lösen Sie mit der Digitalisierung bestehende Versorgungsprobleme. Sorgen Sie für nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik sowie die entsprechende Finanzierung, und belassen Sie die datengestützte Patientensteuerung in ärztlichen und psychotherapeutischen Händen!

Mehr Weiterbildung in Praxen: Stärken Sie die ärztliche und psychotherapeutische Weiterbildung! Diese muss – um medizinisch und technisch auf dem aktuellen Stand zu sein – schwerpunktmäßig ambulant stattfinden. Beziehen Sie auch hier die niedergelassene Vertragsärzte- und Psychotherapeutenschaft ein!

Weniger Bürokratie: Schnüren Sie das angekündigte Bürokratieabbaupaket, damit wieder die Medizin im Vordergrund steht und nicht der „Papierkram“!

Keine Regresse: Schaffen Sie die medizinisch unsinnigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab! Die Arzneimittelregresse müssen weg!

„PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg!“: Bundesweite Aktion der Kassenärztlichen Vereinigungen

Die KVWL veröffentlicht diese Pressemitteilung im Rahmen der bundesweiten Aktion aller Kassenärztlichen Vereinigungen unter dem Titel „PraxenKollaps – Praxis weg. Gesundheit weg!“ Die Aktion soll auf die akut gefährdete Situation der ambulanten Versorgung aufmerksam machen. Hintergrund sind die Finanzierungsverhandlungen auf Bundesebene, die am 9. August gestartet sind.

Ein erster Höhepunkt der Aktion war am 18. August eine gemeinsame Krisensitzung der Vertreterversammlungen aller Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin sein. Den Forderungskatalog und weitere Infos finden Sie hier: https://www.kbv.de/html/praxenkollaps.php

KVWL-Pressestelle