Planetary Health
Weil Klimaschutz Gesundheitsschutz ist
Der Gesundheitszustand der Erde ist kritisch, was gefährliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen hat. Darum gehört das Konzept Planetary Health auch unbedingt in jede Arztpraxis! Wir brauchen mutige, vorausschauend, nachhaltig, digital und innovativ denkende und handelnde Ärztinnen und Ärzte und Praxisteams – für den Patientenschutz und für ein Umdenken in der Gesellschaft!

Planetary Health in jeder Arztpraxis
Die WHO sieht im Klimawandel die größte Gesundheitsgefahr für die Menschheit. Für den Gesundheitssektor ergeben sich daraus zwei drängende Herausforderungen: Zum einen gilt es, sich auf veränderte Krankheitsbilder und Notfallsituationen vorzubereiten, um den Auswirkungen des Klimawandels, die sich nicht mehr abwenden lassen, zu begegnen; zum anderen müssen Klimaschutzpotenziale aufgedeckt werden, um den Klimawandel, soweit möglich, noch einzudämmen.
In einer gemeinsamen Projektgruppe haben Vertreter der KVWL und des Universitätsklinikums Köln (PMV forschungsgruppe und Institut für Allgemeinmedizin) drei Themen mit hoher Priorität identifiziert, die die Aufmerksamkeit und das Engagement der Ärzteschaft brauchen:
- Monitoring und Planung
- Interventionen an Patienten
- Nachhaltigkeit in der Arztpraxis.
Konkrete Empfehlungen
Aus den so gesammelten Ergebnissen wird die Projektgruppe konkrete Handlungsempfehlungen für den Praxisalltag ableiten. So könnten Ärzte zukünftig beispielsweise gezielt Risikopatienten kontaktieren und planvoll durch Hitzeperioden begleiten oder zu einer gesunden, klimafreundlichen Ernährung (planetary health diet) animieren.
Bessere Datengrundlage
Um die Erforschung von und die fundierte Vorbereitung auf Klimaereignisse zu ermöglichen, werden außerdem bessere und schneller verfügbare Daten gebraucht, etwa zur besseren Einschätzung einer Hochwassergefahr (siehe Infobox unten) oder Hitzeperioden. Dafür müssen unterschiedliche Akteure des Gesundheitswesens, aber auch Städte und Gemeinden, zusammenarbeiten. „Planetary Health ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Wir haben aktuell aber eine Situation, in der viele Datensysteme überhaupt nicht miteinander verknüpft sind. Geschweige denn, dass die jeweiligen Organisationen und Menschen eng kooperieren“, so Ingo Meyer, Leiter der PMV forschungsgruppe am Universitätsklinikum Köln.
Selbst aktiv werden
Nicht zuletzt sollten Arztpraxen selbst nachhaltiger werden und ihren CO2-Fußabdruck minimieren. „Müll vermeiden, Energie sparen, nachhaltig bauen, aber auch der Einsatz von Pulverinhalatoren anstelle klimaschädlicher Dosieraerosole. Es gibt viele Stellschrauben, an denen Mediziner drehen können, wenn sie die notwendige Unterstützung erhalten“, so Prof. Beate Müller vom Universitätsklinikum Köln.
„Wir wissen, dass unsere KVWL-Mitglieder, die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeutinnen die unverzichtbaren Krisenmanager in der Corona-Pandemie waren und nach wie vor sind. Dieses Krisenmanagement und den herausragenden Einsatz für den Patientenschutz brauchen wir jetzt wieder für das Planetary-Health-Konzept!“, konstatiert Dr. Claudia Schwenzer. Sie prognostiziert, dass die kommenden Jahre noch herausfordernder als die Coronakrise werden. „Denn einer der Dauerpatienten ist unser geschwächter Planet und sein Krankheitsbild könnte komplexer nicht sein!“ Um sich dieser Herausforderung zu stellen brauchen wir Ärzte und Praxisteams, die mutig, vorausschauend, nachhaltig, digital und innovativ denken und handeln.
Drei Themen mit Priorität
In einem Fachworkshop haben Experten der KVWL und des Universitätsklinikums Köln (PMV forschungsgruppe, Institut für Allgemeinmedizin) drei wichtige Themenbereiche für Planetary Health identifiziert. Lesen Sie hier die Ergebnisse:
Drei wichtige Aspekte im Bereich der Projekte zu Monitoring und Planung sind die Themen der kleinräumigen Daten sowie regionale Bezüge. Dazu ist es notwendig:
- Dateninfrastrukturen aufzubauen, zu validieren und in den Regelbetrieb zu überführen.
- Ein Datenlinkage von verschiedenen Datenkörpern aufzubauen. Dazu gehören tagesgenaue Daten zu beispielsweise Mortalität mit Raumbezug (zum Beispiel PLZ) und Daten der Wetterdienste. Dies würde eine Identifikation von Hot-Spots ermöglichen, in denen dann gezielt mit Maßnahmen zur Versorgungsplanung und -steuerung, aber auch mit Aus- und Weiterbildung vorbereitet werden kann.
- Datenbasiert Risikogruppen für klimawandelbedingte Gesundheitsstörungen zu identifizieren, die dann in der ambulanten Versorgung gezielt adressiert werden können.
Interventionen für und mit Patienten können und sollten vielfältig sein, um dem vielschichtigen Einfluss des Klimawandels auf die Gesundheit gerecht werden zu können. Denkbar sind u.a.:
- Projekte mit Aufklärung der Patienten in der Sprechstunde, beispielsweise zum Hitzeschutz oder zu einer gesunden und klimafreundlichen Ernährung (planetary health diet)
- Hausbesuche
- Videosprechstunden
- Identifikation von Risikogruppen
Insbesondere die Patientenzentrierung spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Versorgung sollte unter Einbezug der aktuellen und zukünftigen Wetterereignisse geplant werden. Außerdem sollte ein Fokus auf die Arzneimittelverordnung gelegt werden, um durch Hitze verstärkte unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu vermeiden. Bei der Konzeption von Interventionen und Schulungsmaßnahmen für die Ärzteschaft kann auf bestehende Fortbildungen aufgebaut werden. Insbesondere für Interventionen rund um das Thema Hitze gibt es zudem internationale Beispiele, die für die deutsche Versorgung adaptiert werden können (Spanien, Frankreich).
Das Thema Nachhaltigkeit bietet zwei verschiedene Ansätze:
Minimierung des CO2-Fußabdrucks in den Praxen durch:
- Vermeidung von Müll
- Einsatz energiesparsamer Geräte
- nachhaltiges Bauen.
Auch bei Verordnungen muss der CO2-Fußabruck mitgedacht werden. So sollten beispielsweise bei inhalativen Arzneimitteln Pulverinhalatoren anstelle von Dosieraerosolen verschrieben werden, da deren Einsatz um ein vielfaches klimaschädlicher ist (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) 2022).
Steigerung der Praxisattraktivität durch:
- gute Mitarbeiterführung
- Katastrophenresilienz
- angepasste Praxiszeiten
- kühle Praxisräume
- passende Kosten-Nutzen-Verhältnisse der Leistungen
Für die Nachwuchsgewinnung können solche Umstrukturierungen ein Wettbewerbsargument bei der nachrückenden jungen Generation sein, was langfristig die Praxisnachfolge sichern kann.
Material zum Herunterladen
Nützliche Links
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Projektpartner PMV forschungsgruppeInterdisziplinäres, wissenschaftlich arbeitendes Team an der medizinischen Fakultät der Universität zu Köln
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Projektpartner Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Köln
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Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG)sensibilisiert Menschen mit Gesundheitsberufen sowie die allgemeine Öffentlichkeit für das Thema Planetare Gesundheit
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Hitzeschutz-Infomaterial des Bundesministeriums für GesundheitSechs praktische Empfehlungen, wie man gut durch die Sommerhitze kommt - kurz und übersichtlich auf einem Poster.
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Wilderness InternationalCO2-Rechner für medizinische Praxen
Interaktive Hochwassergefahr-Karte
Um zu sehen, ob Ihre Praxis in einem von Hochwasser gefährdetem Gebiet in Westfalen-Lippe liegt, nutzen Sie die interaktive Hochwassergefahr-Karte. Diese erlaubt eine straßengenaue Anzeige. Die Karte ist ein Service des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Hier gelangen Sie zur Bedienungshilfe.
- Baltruks, Dorothea; Jenny, Mirjam; Mezger, Nikolaus C.S.; Voss, Maike; Kolpatzik, Kai (2022): Umsetzungen der Beschlüsse des 125. Deutschen Ärztetages zu Klima und Gesundheit. Auswertung einer Umfrage der Stiftung Gesundheit im Auftrag des Centre for Planetary Health Policy.
- Becker, Clemens; Klenk, Jochen; Frankenhauser-Mannuß, Julia; Lindemann, Ulrich; Rapp, Kilian (2021): Hitzewellen: neue Herausforderungen für die medizinische Versorgung von älteren Menschen. In: Christian Günster, Jürgen Klauber, Bernt-Peter Robra, Caroline Schmuker und Alexandra Schneider (Hg.): Versorgungs-Report Klima und Gesundheit. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, S. 79–88.
- der Heiden, Matthias an; Muthers, Stefan; Niemann, Hildegard; Buchholz, Udo; Grabenhenrich, Linus; Matzarakis, Andreas (2019): Schätzung hitzebedingter Todesfälle in Deutschland zwischen 2001 und 2015. In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 62 (5), S. 571–579. DOI: 10.1007/s00103-019-02932-y.
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